Erinnerung an die Chorfahrt im Herbst 2004 vom Mann im roten Pullover
"Wir sind ein Chor, der gemeinsam musikalisch aktiv sein möchte."
Es ist Richards Privileg, diesen Satz in der 2. Probe eines Semesters feierlich zu verkünden.
In der 2. Probe interessiert uns dieser verbale Erguss wenig, haben wir uns nach der ersten Probe doch schon entschieden, jeden Mittwoch zur Probe zu erscheinen und wir sind bereit, 5 Euro Semesterbeitrag zu bezahlen. Also lassen wir uns von Richards Ausführungen berieseln. Wir nehmen die Grundregeln hin, was nicht heißt, dass sie in Zukunft eingehalten werden.
Außerdem passen wir das Regelwerk nach unseren Wünschen an. Wir ändern die Anteile der Grundregeln. So betrachtet jeder die Regel "Spaß im Sinne von Freude" als die oberste Direktive. Dafür darf es dann von Disziplin und Pümktlichkeit weniger sein. Die Regel "Jeder gibt sein bestes" wird wohl im Sinne des Erfinders verstanden und eingehalten. Dann gibt es noch eine 4. Regel. Doch die fällt mir gerade nicht ein. Aber da bin ich bestimmt kein Einzelfall.
Ich möchte die Nachbetrachtung zum Wochenende kritisch aus Sicht der Chorphilosophie - so weit ich sie verstanden habe - führen.
Dabei beschränke ich mich auf die Analyse des Verhaltens am Freitag.
Da fange ich doch gleich mit der Abfahrt am Freitag an. Wie ich mir berichten lassen habe - ich war selbst nicht am Treffpunkt - hatte ein Fahrzeug Verspätung. Ich nenne hier keine Namen. Sollte man die Verspätung als Verstoß gegen die Grundregel Disziplin und Pünktlichkeit werten und den Sünder bestrafen? Auf jeden Fall. Als Strafe oder besser erzieherische Maßnahme muss der Sünder die Danksagung aller Chorfahrtteilnmehmer hinnehmen. Damit dies nicht zu hart wird, sollte sich jeder bei der Person bedanken, die ihm eine Mitfahrgelegenheit gegeben hat. So wird die Strafe kameradschaftlich auf alle Fahrer verteilt. Die Fahrer selbst sollten stolz auf ihren Beitrag zu dieser erinnerungswürdigen Chorfahrt sein.
Ich persönlich bedanke mich bei André. Er hat in seinem Auto sogar die Fußheizung für mich eingeschaltet. Außerdem ist er insgesamt sehr diszipliniert gefahren. Als Chef sollte er die Grundregeln auch unbedingt einhalten. Er muss in dieser Hinsicht ein Vorbild sein. Dank seiner fahrerischen Disziplin, konnte er die Angriffe eines streunenden Hundes und einer trügerischen Verkehrsinsel, die sich ihm (Andre, nicht dem Hund) in den Weg stellte, abwehren. Auch die berühmt berüchtigte Linkskurve zur Jugendherberge meisterte er mit vollem Einsatz, zwar leicht gleitend und etwas wackelig, doch nie die Kontrolle verlierend.
Der nächste geplante Termin war das Abendessen um 18 Uhr. Wir waren alle erstaunlich pünktlich. So soll's sein. Aber mit der Disziplin haperte es ein wenig. Doch die Chefs werden es uns verzeihen müssen, dass wir uns angeregt unterhalten haben. Richard saß neben mir, und der hat ja auch gequatscht.
Irgendwann, ich glaube 19.15 Uhr, war die erste Probe angesetzt.
Wer wie ich schon ein paar Chorfahrten mitgemacht hatte, wusste, dass nun die berüchtigten Kennenlernspiele anstanden. Wir haben uns zuerst in einen Kreis aufgestellt. Doch es war eher ein Oval mit Beulen und Dellen. Aber der Einfachheit halber nennen wir es Kreis. Nun hat sich jeder vorgestellt. Einige haben die Aufgabe falsch verstanden. Diese haben mehr von ihrem Nachbarn als von sich erzählt (Ich bin Heinz und jetzt ist Klaus dran). Auch kann man das nicht wirklich Erzählen nennen. Der Durchschnitt war wohl 3 Sätze pro Person. Ich habe diesmal nicht sehr aufgepasst. Tut mir leid. So habe ich nur wenige neue Namen behalten. Aber, so viel sei vorweg genommen, haben wir keine Zeitungskloppe gespielt, also hat man die Namen auch nicht unbedingt gebraucht. Doch eins habe ich leider mitbekommen. Irgendjemand, wenn ich den Namen wüsste, würde ich ihn nicht nennen, wollte Christoph nicht abnehmen, dass dieser Musik und Theologie auf Lehramt studiert. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich erbitte mir den Respekt auch für Studenten, die sowas Ausgefallenes studieren. Wir sind schließlich eine Gemeinschaft. Wir dulden ja auch Leute, die studieren lassen, gar nicht studieren oder ihre Regelstudienzeit überschritten haben. Ich nenne keine Namen.
Nun geschah ein Wunder. Also noch nicht, aber gleich. Mit einem Tonfall, der seiner Erwartung Ausdruck verlieh, dass alle anderen den Kopf senken und mit ihren Augen den rechten Fuß verfolgen, wie dieser auf dem Boden Kreise zeichnet, fragte André, ob sich jemand Gedanken gemacht hätte, was wir lustiges zum Kennenlernen spielen könnten. Jetzt das Wunder! Es erhob sich ein Zeigefinger. Dazu der helle Klang einer weiblichen Stimme:"Ja, ich."
Da muss sich André wie Gandalf gefühlt haben, als dieser während des Streits in Elronds Rat Frodos Stimme vernahm, die mitteilte, dass er den Ring nähme, um ihn nach Mordor zu bringen, auch wenn ... Oh, ich schweife ab. Alle anderen stellten das Fußkreiszeichnen ein, hoben ihren Kopf und suchten die Stelle, von der die bedeutenden Worte zu vernehmen waren. Der Blick aller wanderte von einem Zeigefinger, den Arm hinab, über die Schulter in ein Gesicht, das vor Selbstbewusstsein strotzte, das aber auch leichte Zweifel durchschimmern ließ, ob die beiden Worte nicht im Übereifer die Lippen durchdrangen. Doch André, den Rückzug zu verhindern wissend, erwiderte: "Schön." (Vielleicht hat er auch was anderes gesagt, ist nicht weiter wichtig.)
Nun gab es für Conny kein Zurück. Conny, eine junge Frau mit freundlichem Lächeln und strahlenden Augen und erhobenem Zeigefinger. Sie ging in die Mitte des Kreises und erklärte ein Spiel, das ich hier Busfahrt nennen möchte. Eigentlich ist es nicht nötig, dem Spiel einen Namen zu geben, soll seine Durchführung hier gar nicht weiter beschrieben werden. Viel wichtiger ist doch, dass Conny ihren Zeigefinger längst heruntergenommen hatte.
Im Anschluss an das Busspiel spielten wir das Entknotungsspiel, ein Muss für alle Leute, die den körperlichen Kontakt zu anderen Leuten suchen und die auch dem Setzen von Schmerzreizen Positives abgewinnen können. Meiner Meinung nach wurde das Spiel nicht mit der nötigen Leidenschaft gespielt. Die Unternehmung wurde immer viel zu früh abgebrochen. Da sind mir aus dem vergangenen Jahr enthusiastischere Strategieumsetzungen in Erinnerung geblieben. Andererseits sehe ich ein, dass das Spiel nicht in die Länge gezogen werden darf. Schließlich sollte den Abend auch noch geprobt werden. Es sei mir eine Bemerkung zur Einhaltung der Grundregeln beim Busspiel erlaubt. Gerade bei Spiel und Sport ist das disziplinierte Auftreten sehr wichtig. Dies habe ich bei einigen Mitspielern sehr vermisst. Doch vermeide ich es hier, Raphael an erster Stelle zu nennen. Auch wenn ich keine Namen nenne, muss klar festgestellt werden, dass es Leute gibt, die die Grundregel: "Jeder gibt sein bestes" über bewertet haben. Diese Leute gaben zu viel des Guten. Zum Glück führte dieses grobe, unsportliche Verhalten nicht zu Verletzungen von Spielern und Mobiliar. Wir sollten beim Spiel, wie übrigens auch beim Gesang, die gegenseitige Rücksichtsnahme nicht vergessen. Da fällt mir was ein. Kann es sein, dass die 4. Grundregel etwas mit gegenseitiger Unterstüzung zu tun hat?! Dann interpretiere ich die Regel so. Wir spielen miteinander, statt gegeneinander. Beim Entknotungsspiel wurde dies übrigens verstanden. Dort sieht jeder seine Aktivität als Beitrag zu einer Gesamtaufgabe, so wie es die Chorphilosophie fordert.
Zur Probe möchte ich nicht viel sagen. Schön ist, dass Christoph das Einsingen um neue Elemente erweitert hat. Besonders die Unterarmmassage tat mir richtig gut. Christoph hat zu Beginn mehr Disziplin eingefordert. Schade, dass er dies tun muss. Haben wir uns doch auf die Einhaltung von Grundregeln geeinigt. Respekt, Christoph, für die mutige Erinnerung an unser aller Regelwerk.
Als nächsten Punkt müsste die Freitag-Nacht-Freizeit diskutiert werden. Doch weiß ich nicht, ob die Grundregeln und der Leitsatz der Chorphilosophie auch für die Freizeit gelten. Ich glaube, mir steht es nicht zu, für den Zeitraum der Freizeit etwas einzufordern, wozu uns die Grundregeln verpflichten. Wurden die Regeln aber trotzdem eingehalten, egal ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, soll es hier eine Erwähnung des Sachverhaltes geben. Dabei beschränkt sich die Betrachtung auf die Freizeitgestaltung mit meiner Mitwirkung.
Bei der Freizeitgestaltung taten sich 2 durchaus interessante Exemplare des männlichen Geschlechts der Spezies Mensch hervor. Sie führten eine in langwierigen, geheimen Proben erstellte Choreographie vor. Für dieses freiwillige zusätzliche Engagement, das die Chorphilosophie nicht nur duldet, sondern sogar wünscht, wurden die beiden mit starken Interessensbekundungen aus der Chorgemeinschaft belohnt. Um Missverständnisse auszuschließen, muss gesagt werden, dass das Interesse der Choreographie und nicht den Choreographen galt. Die für ihre mangelnde Spontanität bekannten Vortänzer überraschten mit der Durchführung einer geforderten Ausbildungsveranstaltung. Zur Eingewöhnung und Erwärmung vollführten wir einen Gemeinschaftstanz zu griechischer Folkloremusik.
Da waren wir schon wieder gemeinsam aktiv. Irgendwann war Schlafenszeit. Und es gingen sogar Leute gemeinsam zu Bett.