Projekt Krawatten

Liebes Chortagebuch,

der ein oder andere Fuchs unter uns Chormitgliedern wird es vielleicht bemerkt haben: wir haben etwas Zuwachs bekommen. In Konsequenz dessen verschob sich wie wir nun merkten auch das Sänger/innen-Krawatten-Verhältnis massiv. Die logische Schlussfolgerung: Neue Krawatten braucht der Chor!

Die Suche nach zusätzlichen Krawatten erwies sich schnell als problematisch: entweder gab es zu wenige einer Art oder sie waren zu teuer oder aber gar recht hässlich. So lag eine total verrückte Idee nah: So ´ne Krawatte... das kann doch nicht so schwer sein...wie wäre es, wenn wir sie einfach selbst nähen? Wie gesagt, so getan.

Lena (endlich einen Grund gefunden, ihr Lernvorhaben zu verharmlosen) und ich sprangen euphorisiert von einem Nähladen zum nächsten, erkundigten uns nach den üblichen Meterpreisen und fanden passenden Stoff für einen ersten Versuch. Also ging es sofort an die heimische Nähmaschine – der Prototyp war geboren – ein wunderschöner hellblauer Satinschlips.

Lena band ihn sich um und wir fuhren zum Chäf, um ihn für unser Vorhaben zu begeistern. Wir klingelten und es stand ein schlaftrunkener, gar mürrisch wirkender Maddin vor uns (diese Situation können wir nicht visualisieren - niemand soll verschreckt werden ;-) Die Situation war gespannt. Lena öffnete ihre Jacke und präsentierte das Kunstwerk.

Nach einer gewissen Aufwachphase war der Chäf aufnahmefähig, schubste Lena ins Licht der Küchenlampe und ließ sich von den unschlagbaren Argumenten überzeugen – wir sparen 80% gegenüber gekaufter Krawatten! Genehmigung und Auftrag erteilt.

Worten mussten Taten folgen! Schnell wurde ein Nähteam zusammen getrommelt. Am folgenden Tag trafen wir uns mit Anja, die auch schon im letzten Jahr mit modischem Sachverstand die Krawattenwahl unterstütze, zum Stoffaussuchen. Wir waren in vier Läden und fanden dann den perfekten Stoff, der zudem auch noch unschlagbar günstig war. Wir wurden besonders in einem Laden auch traumhaft beraten. (Danke an die nette Frau aus dem Nähladen am Brink, Werbung hat sie sich verdient) Nach einem Lob für ihre netten wie kompetenten Ratschläge hörten wir den schönen Satz: „Ich will doch nur, dass ihr näht!“

Am Samstag um 10Uhr eröffnete das Nähstudio. Die Frühschicht bildeten Lena, Christin und meine Person sowie Judith (obwohl gesundheitlich angeschlagen) mit ihrer persönlichen Nähhilfe „Ey-Frollein“. Wer sie nicht kennt: es handelt sich um eine eigenwillige, etwas verhaltensauffällige elektrische Nähmaschine, die laut Judiths Aussage ihrer Besitzerin recht ähnlich ist und nicht immer macht, was sie soll. Judith musste so manches Mal mit ihr schimpfen und zwischen ihr und dem verstörten Oberfaden vermitteln.

Am Nachmittag kam Anja (trotz finanzieller Opfer), um uns zu unterstützen. Aufgrund von unvorhergesehenen Absagen und immer deutlicher werdendem Aufwand brauchten wir jedoch noch zusätzliche Verstärkung.

Nach einem äußert verzweifelten Hilferuf im Forum, meldete sich spontan, ja geradezu heldenhaft, Andrea, die sofort die Dramatik der Situation erkannte, bereit war uns zu unterstützen und jede anfallende Arbeit mit Freude übernahm.

So übertrugen wir Schnittmuster, schnitten aus, nähten, drehten von links auf rechts, bügelten, klebten und hefteten den Schniepie an.... und jeder entdeckte besondere Talente. (Wir tun mal so, als wäre das Unsichtbar-auf-Stoff-malen auch eins...)

Nach Christins motivierendem Forum-Aufruf, dem Spektakel doch beizuwohnen, bekamen wir des abends noch eine sehr überraschende Unterstützerin. Am Vortag wilde Hasstiraden über das Nähen schwingend und in den buntesten Farben ihre Abneigung gegen und ihr Unvermögen für jegliche Handarbeit beschreibend, hatte uns Steffi L. verkündet, sie würde so ziemlich alles lieber machen als zu nähen. Um so begeisterter waren wir, als sie sich von Gemeinschaftssinn und Tatendrang angesteckt trotzdem bereit erklärte, im Regen Nachschub an Wäscheband zu besorgen und ins Nähstudio zu kommen. Sie nahm sogar Nadel und Faden in die Hand (!) und half uns, die Schniepies an die Krawatten zu heften! Und das ,nachdem sie nicht nur dem Regen getrotzt hatte, sondern sich für den guten Zweck auch noch aus der eigenen Wohnung ausschloss. Toll! Lob und Bienchen, Steffi!

Nach Zwischenschicht im Humboldt kam Lena um 23:00 Uhr wieder zurück ins inzwischen geschrumpfte Team, um sich von mir für ihre Prüfung abfragen zu lassen und nebenbei die letzten Schniepies anzuheften.

Um 01:57 Uhr (Lena besteht auf diese krumme Uhrzeit), nach 300m Garn, fröhlichem Nähkästchengeplausche, wunden wie verklebten Händen und anderen erbrachten Opfern aller Beteiligten, kalter Pizza und Kannen von Tee wurde die letzte Krawatte fertig gestellt.

Mein Fazit: Es hat sehr viel Spaß gemacht, alle haben sich mit Feuereifer eingebracht. Nur schade, dass dieses Event kein Mann miterleben wollte ;-) Ich saug dann mal fusselige Erinnerungen von meinem Boden...

 

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